Die Himaliagruppe
 
 

Im Rahmen einer Suche nach neuen Monden bei den äußeren Planeten machte Dr. Charles Dillon Perrine
am 4., 9., 10. und 11. Dezember 1904 Aufnahmen von der Region um Jupiter. Im selben Monat entdeckte
er beim Vergleich dieser Negative miteinander einen sechsten Jupitermond, bezeichnet mit der römischen
Zahl VI. Bei der Untersuchung weiterer Fotoplatten dieses Mondes, die er am 3., 4. und 5. Januar 1905
belichtet hatte, entdeckte er am letzten dieser Tage einen weiteren, viel lichtschwächeren Jupitermond, er
erhielt die Nummer VII. Beide hatten ähnliche Bahnen: ihre großen Bahnhalbachsen betrugen zwischen
11 und 12 Mio. km und die Inklinationen (Neigungen) ihrer Bahnebenen lagen bei etwa 30° (zum
Vergleich: die Inklinationen der Umlaufbahnen der vorher entdeckten Jupitermonde liegen alle
unterhalb von 0,5°). Anfang Juli 1938 wurde von Dr. Seth Barnes Nicholson auf zwei
eigenen Aufnahmen vom 6. Juli 1938 ein weiterer Jupitermond mit ganz ähnlicher großer
Bahnhalbachse und Inklination entdeckt, der die Nummer X erhielt; desgleichen am
14. September 1974 von Dr. Charles T. Kowal auf dessen Aufnahmen vom
11., 12. und 13. September, dieser erhielt die Bezeichnung Jupiter XIII.
 
 
 
 
 


 
 
 
 
 

Erst 1975/76 bekamen diese vier Monde auch Namen. Dabei führte man die Konvention ein, dass prograde (rechtläufige)
irreguläre Jupitermonde einen auf a endenden Namen bekommen, wohingegen retrograde (rückläufige) irreguläre Jupiter-
monde einen auf e endenden Namen bekommen. ("Prograd" bedeutet, dass der Mond seinen Planeten in der gleichen
Richtung umläuft wie der Planet die Sonne, "retrograd", dass er ihn in Gegenrichtung umläuft; "irregulär" bedeutet, dass
die Bahn des Mondes exzentrisch [nicht kreisförmig] ist oder eine nicht geringe Inklination hat. Prograde Monde haben
eine Inklination zwischen 0° und 90°, retrograde eine zwischen 90° und 180°. Alle regulären Monde sind also prograd.)
Als prograde irreguläre Jupitermonde bekamen die vier Monde also Namen auf -a, und zwar wurden sie wie die meisten
Jupitermonde nach Liebesbeziehungen Jupiters benannt: Mond VI nach der Nymphe Himalia (griechisch für "Fülle"),
Mond VII nach Elara, Mond X nach Lysithea und Mond XIII nach Leda (griechisch für "Frau"). Von den vielen
Varianten des Leda-Mythos setzte sich die durch, nach der Jupiter Leda in Gestalt eines Schwanes durch seinen
Gesang verführte und sie zwei Eier gebar; aus dem einen schlüpfte die schöne Helena, aus dem anderen die
Dioskuren ("Zeussöhne") Castor und Polydeuces.
 
 

Auf Aufnahmen vom 5. Dezember 2000 entdeckten Scott S. Sheppard, Prof. Dr. David Jewitt, Dr. Yanga R. Fernández
und Dr. Eugene Magnier einen weiteren Jupitermond mit ganz ähnlicher großer Bahnhalbachse und Inklination. Da
er nach dem 31. Dezember 2000 nicht mehr aufgefunden werden konnte und erst am 12. September 2010
wiederentdeckt wurde, bekam er erst 2015 einen Namen. Er wurde ebenfalls nach einer Liebesbeziehung
Jupiters benannt, nämlich nach Dia (griechisch poetisch für "die zu Zeus gehört"), die Jupiter in Gestalt
eines Hengstes verführt haben soll. Dia erhielt die Bezeichnung Jupiter LIII.
 
 

Im Herbst 2011 entdeckte Dr. Sheppard auf Aufnahmen vom 27. September 2011 einen weiteren
solchen Jupitermond, der vorerst nur die provisorische Bezeichnung S/2011 J 3 trägt, das heißt:
"Satellit, und zwar mit Entdeckungsfoto aus dem Jahr 2011 bei Jupiter,
dritte Entdeckung aus 2011 bei Jupiter".
 
 

In den Frühjahren 2017 sowie 2018 schließlich entdeckte Sheppard auf Aufnahmen vom 23. März 2017 bzw.
vom 11. und 12. Mai 2018 noch einen bzw. zwei weitere solche Jupitermonde. Zwei davon erhielten auf der
Grundlage eines Internetwettbewerbs die Namen zweier Töchter Jupiters, nämlich Pandia (vermutlich
Personifikation des Vollmondes; griechisch für "vollständig, vollkommen hell" in Bezug auf
Vollmondnächte) bzw. Ersa (Göttin des Taues; griechisch [dorisch] episch für "[der] Tau"),
und die Bezeichnungen Jupiter LXV bzw. Jupiter LXXI. Der dritte Mond trägt
vorerst nur eine provisorische Bezeichnung.

 
 
 
 
 

Diese drei Bilder zeigen die Wiederentdeckung von Dia. Sie entstanden in
einem Abstand von etwa 20 Minuten. Links ist der helle Glanz Jupiters zu sehen.
 
 
 
 
 

Himalia ist mit einem Durchmesser von 165 ± 5 km × 120 ± 20 km
(im Mittel [ca.] 140 km) der größte irreguläre Jupitermond.


 
 
 
 
 

Himalia, aufgenommen von der Cassini-Sonde.
Die kleinen Abbildungen zeigen unten Himalia in zehnfacher Vergrößerung
und oben eine Grafik, die die Größe und die Mondphase Himalias anzeigt
(die Sonne beleuchtet sie von links).
 
 
 
 
 

Die großen Bahnhalbachsen dieser insgesamt neun Monde betragen zwischen 11,1 und
12,3 Mio. km (bzw. zwischen 155 und 172 Jupiterradien) und die Inklinationen ihrer
Umlaufbahnen zwischen 27° und 30°, sodass die neun Monde eine Gruppe bilden,
nach ihrem größten Mond Himaliagruppe genannt. Ihre Umlaufzeiten liegen
zwischen 240 und 279 Tagen.
 
 
 
 
 


 
 
 
 
 

Die Himaliagruppe entstand vermutlich aus einem einzigen Planetoiden, der vom Jupiter
eingefangen und zu seinem Mond wurde und der dann infolge zahlreicher Kollisionen
mit anderen irregulären Monden auseinanderbrach.
 
 
 
 
 

Lysithea (jeweils Bildmitte)
 
 
 
 
 

Die Frage, warum es in der Himaliagruppe, die aus einer größeren Anzahl größerer Monde
besteht als jede der retrograden Jupitermondgruppen, hingegen viel weniger Minimonde zu
geben scheint, kann dadurch beantwortet werden, dass lichtschwächere Monde aus der
Himaliagruppe aufgrund der geringeren Distanz dieser Gruppe zum Jupiter von dessen
Licht lediglich leichter überstrahlt werden. Genau das war bei Dia zwischen 2000 und
2010 geschehen. Es ist daher wahrscheinlich, dass es in der Himaliagruppe durchaus
noch weitere Minimonde gibt, die nur bislang nicht entdeckt worden sind.
 
 
 

Skizzen der Bahnen der Jupitermonde befinden sich hier.
 
 
 
 
 
 
 

Die Himaliagruppe in Kürze


MOND Bezeich-
nung
Ent-
deckungs-
jahr
Entdecker Durch-
messer
Rang Große
Bahn-
halbachse
Um-
lauf-
zeit
Inkli-
nation
Leda Jupiter XIII 1974 Charles T. Kowal Ca. 21½ km 10. 11146400 km =
ca. 156 Jupiterradien
240,9 Tage 28,6°
Ersa Jupiter LXXI 2018 Scott S. Sheppard Ca. 3 km 11. 11401000 km =
ca. 159 Jupiterradien
249,2 Tage 29,1°
-
(S/2018 J 2)
2018
(nachgewiesen 2022)
Scott S. Sheppard Ca. 3 km 12. 114197000 km =
ca. 160 Jupiterradien
249,9 Tage 28,3°
Himalia Jupiter VI 1904
(nachgewiesen 1905)
Charles Dillon Perrine 165 ± 5 km × 120 ± 20 km 13. 11440600 km =
ca. 160 Jupiterradien
250,6 Tage 28,1°
Pandia Jupiter LXV 2017
(nachgewiesen 2018)
Scott S. Sheppard Ca. 3 km 14. 11481000 km =
ca. 161 Jupiterradien
251,9 Tage 29,0°
Lysithea Jupiter X 1938 Seth Barnes Nicholson 42 km 15. 11700800 km =
ca. 164 Jupiterradien
259,2 Tage 27,2°
Elara Jupiter VII 1905 Charles Dillon Perrine 80 km 16. 11712300 km =
ca. 164 Jupiterradien
259,6 Tage 27,9°
-
(S/2011 J 3)
2011
(nachgewiesen 2022)
Scott S. Sheppard Ca. 3 km 17. 117168000 km =
ca. 164 Jupiterradien
259,8 Tage 27,6°
Dia Jupiter LIII 2000 S. S. Sheppard /
D. C. Jewitt /
Y. R. Fernández /
E. Magnier
Ca. 4,0 km 18. 12260300 km =
ca. 171 Jupiterradien
278,2 Tage 29,0°

 

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Dies war die beeindruckende Himaliagruppe des Jupiters.
Als nächstes erwartet Euch hier ein weiterer Saturnmond. Seid gespannt auf
 

I a p e t u s



 
 
 

Hauptquellen:

Leda, Lysithea, Elara:
- Durchmesser: Tommy Grav u. a.: "NEOWISE: Observations of the Irregular Satellites of Jupiter and Saturn",
- The Astrophysical Journal 809 (2015), Nr. 1, Artikel 3
- Bahndaten: Marina Brozović: "Outer jovians with astrometry up to Nov 2020 — JUP344", 2021

Ersa, Pandia:
- Durchmesser: Scott S. Sheppard: "Moons of Jupiter", https://sites.google.com/carnegiescience.edu/sheppard/moons/jupitermoons, 2023
- Bahndaten: Marina Brozović: "Outer jovians with astrometry up to Nov 2020 — JUP344", 2021

S/2018 J 2, S/2011 J 3:
- Durchmesser: Scott S. Sheppard: "Moons of Jupiter", https://sites.google.com/carnegiescience.edu/sheppard/moons/jupitermoons, 2023
- Bahndaten: Marina Brozović: "Ephemerides of the 12 new jovian irregulars — JUP345", 2023

Himalia:
- Durchmesser: Nach Carolyn C. Porco u. a.: "Cassini Imaging of Jupiter's Atmosphere, Satellites, and Rings", Science 299 (2003),
- Nr. 5612 (7. März), S. 1546 beträgt der Durchmesser 150 ± 20 km × 120 ± 20 km; nach Steve Preston: "Jupiter (06) Himalia",
- https://web.archive.org/web/20180724032301/http://www.asteroidoccultation.com/observations/Results/Data2018/20180512%20P5M06%20HimaliaProfile.gif, 2018,
- beträgt der größte Durchmesser mindestens 160 km. Mittel: Tommy Grav u. a.: "NEOWISE:
- Observations of the Irregular Satellites of Jupiter and Saturn", The Astrophysical Journal 809 (2015), Nr. 1, Artikel 3
- Bahndaten: Marina Brozović: "Outer jovians with astrometry up to Nov 2020 — JUP344", 2021

Dia:
- Durchmesser: https://web.archive.org/web/20010208225815/http://www.ifa.hawaii.edu/~jewitt/jmoons/jm-table.html, 2001
- Bahndaten: Marina Brozović: "Outer jovians with astrometry up to Nov 2020 — JUP344", 2021