Die Anankegruppe
Am 29. September 1951 fotografierte Dr. Seth Barnes Nicholson, der 1914
bereits Sinope und 1938
weiterhin Lysithea und Carme entdeckt hatte, die lichtschwachen Jupitermonde,
um ihre genauen
Positionen zu bekommen. Auf der Suche nach Lysithea fand er auf den
beiden frisch entwickelten
Fotoplatten zwei in Frage kommende Objekte, davon eines in unmittelbarer
Nähe der errechneten
Position. Nachdem er mittels weiterer Beobachtungen nahezu ausschließen
konnte, dass es sich bei
dem anderen um einen Planetoiden handelte, gab er mit diesem Anfang
Oktober die Entdeckung
wahrscheinlich eines neuen Jupitermondes bekannt. Als Dr. Peter Musen
davon las, erkannte er,
dass sich dieses Objekt in der Bahnebene von Lysithea bewegt, und benachrichtigte
Nicholson
umgehend. Nicholson untersuchte daraufhin, etwas später im Oktober
1951, das anfangs für
Lysithea gehaltene Objekt näher und ihm wurde unmittelbar klar,
dass es aufgrund seiner
Bewegungsrichtung nicht Lysithea sein konnte (die mithin das andere
Objekt war), sondern
wahrscheinlich ein neuer, zwölfter Jupitermond war, was er alsbald
auch nachweisen
konnte. Der neue Mond erhielt die Bezeichnung [J] XII, die sich im
Laufe der Zeit
zu "Jupiter XII" entwickelte.
Erst 1975/76 bekam er auch einen Namen. Dabei führte man die Konvention
ein, dass prograde (rechtläufige) irreguläre Jupitermonde
einen auf a endenden Namen
bekommen, wohingegen retrograde (rückläufige) irreguläre
Jupitermonde einen auf e enden-
den Namen bekommen. ("Prograd" bedeutet, dass der Mond seinen Planeten
in der gleichen
Richtung umläuft wie der Planet die Sonne, "retrograd", dass er
ihn in Gegenrichtung umläuft;
"irregulär" bedeutet, dass die Bahn des Mondes exzentrisch [nicht
kreisförmig] ist oder eine
nicht geringe Inklination [Neigung] hat. Prograde Monde haben eine
Inklination zwischen
0° und 90°, retrograde eine zwischen 90° und 180°.
Alle regulären Monde sind also
prograd.) Als retrograder irregulärer Jupitermond bekam der XII.
Mond also einen
Namen auf -e, und zwar wurde er nach Ananke
benannt. Ananke (griechisch
für "Notwendigkeit, Zwang") war die uranfängliche Göttin
der Notwendigkeit.
Sie war ein unkörperliches, schlangenförmiges Wesen, dessen
Arme sich in
das gesamte Weltall erstreckten. Zusammen mit ihrem Gemahl Chronus
soll Ananke das Schicksal der jüngeren
Götter gelenkt
haben, selbst jenes von Jupiter.
Ananke
Auf Aufnahmen vom 23. November 2000 entdeckten Scott
S. Sheppard, Prof. Dr. David Jewitt,
Dr. Yanga R. Fernández und Dr. Eugene Magnier drei weitere Jupitermonde,
die ganz ähnliche
große Bahnhalbachsen und Inklinationen wie Ananke
hatten. Sie erhielten die Namen
Harpalyke,
Iocaste
(nach der Geliebten Jupiters; nicht zu verwechseln mit der Mutter
und Ehefrau von Ödipus) und Praxidike
(nach der Tochter Jupiters, der Gerechtigkeit
ausübenden Göttin; griechisch für "Ausführerin
von Gerechtigkeit") und die Bezeichnungen
Jupiter XXII, Jupiter XXIV bzw. Jupiter XXVII.
Hermippe
Auf Aufnahmen vom 9. und 11. Dezember 2001 entdeckten Sheppard, Jewitt
und Dr. Jan Kleyna
fünf weitere solche Jupitermonde, die die Namen Thyone
(nach der Geliebten Jupiters, der Schwester
Autonoes), Hermippe, Euanthe,
Euporie
(nach einer der neun Horen, der Töchter Jupiters, nämlich
der Göttin des landwirtschaftlichen Überflusses; griechisch
für "Überfluss") und Orthosie
(nach
einer weiteren der neun Horen, nämlich der Göttin des landwirtschaftlichen
Wohlstands;
griechisch für "Wohlstand") und die Bezeichnungen Jupiter XXIX,
Jupiter XXX,
Jupiter XXXIII, Jupiter XXXIV bzw. Jupiter XXXV erhielten. – Jupiter
verliebte
sich einst in eine Prinzessin namens Semele
und schlief mit ihr, wobei er ihr ver-
sprach, jeden ihrer Wünsche zu erfüllen. Als Jupiters Ehefrau
Juno dahinterkam,
erschien sie Semele in Gestalt von deren Amme und sprach zu ihr: "Bitte
Jupiter,
zu dir in der gleichen Weise zu kommen, wie er zu Juno kommt, damit
du er-
fahren kannst, welches Vergnügen es ist, mit einem Gott zu schlafen."
Also
bat Semele Jupiter darum. Jupiter, der ihr diese Bitte aufgrund seines
Ver-
sprechens nicht abschlagen konnte, erschien ihr daraufhin mit Blitz
und
Donner und schleuderte einen Blitz auf sie, wodurch sie verbrannte.
Ihr
Kind, Dionysus, wurde von Jupiter gerettet. Später rettete Dionysus
seine Mutter aus der Unterwelt, teilte mit ihr seine eigene Unsterblich-
keit, gab ihr den Namen Thyone
und geleitete sie hinauf zum Olymp.
Hermippe
Auf Aufnahmen von Februar 2003 entdeckten Sheppard, Jewitt und Kleyna
zum Teil gemeinsam mit
Prof. Dr. Brett Gladman, Dr. John J. Kavelaars, Dr. Jean-Marc Petit
und Dr. Lynne Allen sechs
weitere solche Jupitermonde, von denen drei die Namen Mneme
(nach einer der drei Musen,
nämlich der Muse des Gedächtnisses; griechisch für "Erinnerung,
Gedächtnis"), Thelxinoe (nach
einer der vier Musen; griechisch poetisch für "die Sinnbestrickende")
und Helike (nach der
Nymphe und Amme des kleinen Jupiter, als sie ihn auf Kreta versteckt
hielt) und die
Bezeichnungen Jupiter XL, Jupiter XLII bzw. Jupiter XLV erhielten;
zwei Monde
erhielten die Bezeichnungen Jupiter LV und Jupiter LX, haben aber keinen
Namen bekommen. Der andere Mond trägt vorerst nur die provisorische
Bezeichnung S/2003 J 16, das heißt: "Satellit, und zwar mit Entdeckungsfoto
aus dem Jahr 2003 bei Jupiter, sechzehnte Entdeckung aus 2003 bei Jupiter".
Mneme
Auf Aufnahmen vom 8. September 2010 entdeckte Christian Veillet einen
weiteren
solchen Jupitermond, der die Bezeichnung Jupiter LII erhielt.
Im Jahr 2016 entdeckte Dr. Sheppard auf Aufnahmen vom 8. März 2016,
die er im Zuge
der Suche nach Objekten im äußeren Sonnensystem gemacht
hatte, einen weiteren
solchen Jupitermond, der die Bezeichnung Jupiter LIV erhielt.
Animation zur Entdeckung von Jupiter LIV
Im Frühjahr 2017 schließlich entdeckte Sheppard auf Aufnahmen
vom 23. März 2017 noch
drei weitere solche Jupitermonde, die die Bezeichnungen Jupiter LXIV,
Jupiter LXVIII und
Jupiter LXX erhielten. Namen haben all diese zuletzt bezeichneten Monde
nicht bekommen.
Die großen Bahnhalbachsen dieser insgesamt zwanzig Monde betragen
zwischen 19,3
und 21,5 Mio. km (bzw. zwischen 270 und 300 Jupiterradien) und die
Inklinationen
ihrer Umlaufbahnen zwischen ≈140° und 155° (zum Vergleich:
die Inklinationen
der Umlaufbahnen der Galileischen Monde liegen alle unterhalb von 0,5°),
sodass
die zwanzig Monde eine Gruppe bilden, nach ihrem mit ca. 29 km Durchmesser
mit
Abstand größten Mond Anankegruppe
genannt. Sie entstand vermutlich aus einem
einzigen Planetoiden, der vom Jupiter eingefangen wurde und in Stücke
brach. Die
Umlaufzeiten der Monde aus der Anankegruppe
liegen zwischen 550 und 641
Tagen, also zwischen 1 Jahr 6 Monaten und 1 Jahr 9 Monaten.
Thelxinoe
Skizzen der Bahnen der Jupitermonde befinden sich hier.
Die Anankegruppe in Kürze
MOND | Bezeich-
nung |
Ent-
deckungs- jahr |
Entdecker | Durch-
messer |
Rang | Große
Bahn- halbachse |
Um-
lauf- zeit |
Inkli-
nation |
Euporie | Jupiter XXXIV | 2001
(nachgewiesen 2002) |
S. S. Sheppard /
D. C. Jewitt / J. Kleyna |
Ca. 2 km | 20. | 19336000 km =
ca. 270 Jupiterradien |
550,7 Tage
(retrograd) |
145,7° |
- | Jupiter LX | 2003 | S. S. Sheppard /
D. C. Jewitt / J. Kleyna |
Ca. 2 km | 21. | 20221000 km =
ca. 283 Jupiterradien |
583,9 Tage
(retrograd) |
147,5° |
- | Jupiter LV | 2003 | B. Gladman /
S. S. Sheppard u. a. |
Ca. 2 km | 22. | 20508000 km =
ca. 287 Jupiterradien |
598,1 Tage
(retrograd) |
146,1° |
- | Jupiter LXVIII | 2017
(nachgewiesen 2018) |
Scott S. Sheppard | Ca. 2 km | 23. | 20571000 km =
ca. 288 Jupiterradien |
602,8 Tage
(retrograd) |
143,4° |
- | Jupiter LIV | 2016
(nachgewiesen 2017) |
Scott S. Sheppard | Ca. 1 km | 24. | 20595000 km =
ca. 288 Jupiterradien |
603,8 Tage
(retrograd) |
139,8° |
- | Jupiter LXIV | 2017 | Scott S. Sheppard | Ca. 2 km | 25. | 20639000 km =
ca. 289 Jupiterradien |
605,8 Tage
(retrograd) |
147,9° |
- | Jupiter LII | 2010 | Christian Veillet | Ca. 2 km | 26. | 21004000 km =
ca. 294 Jupiterradien |
618,8 Tage
(retrograd) |
148,7° |
Mneme | Jupiter XL | 2003 | B. Gladman /
S. S. Sheppard u. a. |
Ca. 2 km | 27. | 21033000 km =
ca. 294 Jupiterradien |
620,1 Tage
(retrograd) |
148,6° |
Euanthe | Jupiter XXXIII | 2001
(nachgewiesen 2002) |
S. S. Sheppard /
D. C. Jewitt / J. Kleyna |
Ca. 3 km | 28. | 21039000 km =
ca. 294 Jupiterradien |
620,5 Tage
(retrograd) |
148,9° |
Helike | Jupiter XLV | 2003 | S. S. Sheppard /
D. C. Jewitt / J. Kleyna |
Ca. 4 km | 29. | 21065000 km =
ca. 295 Jupiterradien |
626,3 Tage
(retrograd) |
154,8° |
S/2003 J 16 | - | 2003 | B. Gladman /
S. S. Sheppard u. a. |
Ca. 2 km | 30. | 21097000 km =
ca. 295 Jupiterradien |
622,9 Tage
(retrograd) |
148,7° |
Harpalyke | Jupiter XXII | 2000 | S. S. Sheppard /
D. C. Jewitt / Y. R. Fernández / E. Magnier |
Ca. 4,3 km | 31. | 21106000 km =
ca. 295 Jupiterradien |
623,3 Tage
(retrograd) |
148,8° |
Praxidike | Jupiter XXVII | 2000 | S. S. Sheppard /
D. C. Jewitt / Y. R. Fernández / E. Magnier |
Ca. 6,8 km | 32. | 21148000 km =
ca. 296 Jupiterradien |
625,4 Tage
(retrograd) |
148,9° |
Orthosie | Jupiter XXXV | 2001
(nachgewiesen 2002) |
S. S. Sheppard /
D. C. Jewitt / J. Kleyna |
Ca. 2 km | 33. | 21158000 km =
ca. 296 Jupiterradien |
622,6 Tage
(retrograd) |
146,0° |
Thelxinoe | Jupiter XLII | 2004 | S. S. Sheppard /
B. Gladman u. a. |
Ca. 2 km | 34. | 21160000 km =
ca. 296 Jupiterradien |
628,0 Tage
(retrograd) |
151,4° |
Thyone | Jupiter XXIX | 2001
(nachgewiesen 2002) |
S. S. Sheppard /
D. C. Jewitt / J. Kleyna |
Ca. 4 km | 35. | 21197000 km =
ca. 296 Jupiterradien |
627,2 Tage
(retrograd) |
148,6° |
Ananke | Jupiter XII | 1951 | Seth Barnes Nicholson | Ca. 29 km | 36. | 21254000 km =
ca. 297 Jupiterradien |
629,8 Tage
(retrograd) |
148,7° |
Iocaste | Jupiter XXIV | 2000 | S. S. Sheppard /
D. C. Jewitt / Y. R. Fernández / E. Magnier |
Ca. 5,2 km | 37. | 21272000 km =
ca. 298 Jupiterradien |
631,6 Tage
(retrograd) |
149,4° |
Hermippe | Jupiter XXX | 2001
(nachgewiesen 2002) |
S. S. Sheppard /
D. C. Jewitt / J. Kleyna |
Ca. 4 km | 38. | 21297000 km =
ca. 298 Jupiterradien |
633,9 Tage
(retrograd) |
150,7° |
- | Jupiter LXX | 2017
(nachgewiesen 2018) |
Scott S. Sheppard | Ca. 3 km | 39. | 21430000 km =
ca. 300 Jupiterradien |
640,9 Tage
(retrograd) |
152,7° |
Valetudo
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Seid gespannt auf
Carpo, S/2003 J 12 und Valetudo
Hauptquellen:
Euporie, Euanthe, Orthosie, Thyone, Hermippe:
Jupiter LX, Helike:
Jupiter LV, Mneme, S/2003 J 16:
Jupiter LXVIII, Jupiter LXIV, Jupiter LXX:
Jupiter LIV:
Jupiter LII:
Harpalyke, Praxidike, Iocaste:
Thelxinoe:
Ananke:
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